Als
absoluter Publikumsmagnet erwies sich die Ausstellung „Schifferstadter
Schneider“ am Sonntagvormittag im Heimatmuseum, wo der Vorsitzende des
Vereins für Heimatpflege Theo Magin fast 50 Gäste begrüßen konnte. Im
Mittelpunkt der Ausstellung stand ein Referat von Hans Magin, dessen Vater
Georg einer der letzten Maßschneider vor Ort war. Ausführlich und lebendig
schilderte Hans Magin das Leben und Wirken seines Vaters, der 1907 als
Sohn eines Schneiders geboren, 24 Jahre später dessen Geschäft übernahm.
„Mit dem Maßnehmen begann die Fertigung eines Anzuges oder Mantels, die
Daten wurden fein säuberlich in das Maßbuch eingetragen“, beschrieb Hans
Magin die ersten Schritte auf dem Weg zu einem maßgefertigten
Kleidungsstück. Anhand der ermittelten Maße wurde das Zuschneidemuster
entworfen, diverse Winkel, Schneiderkreide und Packpapier, das zuvor
sorgfältig gebügelt worden war, kamen dabei zum Einsatz. „Die Maße wurden
auf das Papier übertragen, das Muster ausgeschnitten bzw. ausgerädelt, auf
den Stoff aufgezeichnet und mit der Zuschneideschere ausgeschnitten.“
Wiederholt verwies Hans Magin auf die ausgestellten Werkzeuge und
demonstrierte deren Funktion. Nach dem Zusammenreihen wurde das
halbfertige Kleidungsstück erst einmal anprobiert und wiederholt auf dem
so genannten „Elefantenei“ gebügelt, bevor es endgültig fertiggenäht
wurde. Die Reihfäden mussten mit dem Pfrim, einem kleinen Werkzeug aus
Elfenbein, gezogen werden.
Auf das bewegte Leben seines Vaters zurückblickend berichtete Hans Magin
von dessen „typischem Schifferstadter Lebenslauf“. Als Lehrling – zunächst
beim eigenen Vater, im Anschluss bei einer Schneiderei in der
Kapellenstraße – half er seine Familie auch beim Märkel „Nachdem mein
Vater 1924 seine Gesellenprüfung mit Erfolg abgelegt hatte, wollte er auf
Wanderschaft gehen, allerdings schien es ihm bereits im Schwabenland nicht
mehr gefallen zu haben, er kehrte alsbald zurück“ so Hans Magin weiter. Am
1. Februar 1931 eröffnete der junge Schneider das väterliche Geschäft
seines Vaters in der Burgstraße wieder, beschäftigte dort teilweise bis zu
vier Gesellen. „Eine Meisterprüfung war zu dieser Zeit noch nicht
erforderlich, jedoch absolvierte mein Vater regelmäßig Zuschneidekurse bei
der Firma Müller & Sohn in München, um auf dem neuesten Stand zu sein“,
informierte Hans Magin und verwies auf ausgestellte Bescheinigungen sowie
auf das Diplom der Deutschen Bekleidungs-Akademie München vom 17. Oktober
1953. Bei einer Gewerbeschau 1932 lernte Georg Magin seine spätere Ehefrau
Susanne kennen, heiratete 1936 und zog ein Jahr später in die
Bahnhofstraße 35 um, wo er ein florierendes Geschäft betrieb.
Ausführlich berichtete Sohn Hans auch über die Einberufung seines Vaters
im Jahr 1941 nach Swinemünde an der Ostsee, über „glückliche Fügungen“,
die ihn vor dem Fronteinsatz bewahrten und seine Heimkehr 1946 nach
Schifferstadt, wo er unter schwierigsten Bedingungen mit einem Lehrling
und drei Gesellen seine Arbeit wieder aufnahm. „Es gab keine Stoffe“,
erinnerte Hans Magin an die Zeit unmittelbar nach Kriegsende, Fahnen,
Betttücher, dünne Decken, aber auch aufgetrennte Uniformen, Mäntel und
Anzüge wurden verarbeitet, weiteres Arbeitsmaterial wie Futterstoffe,
Knöpfe ect. beschaffte sich Georg Magin im Tausch gegen Gemüse. Nach der
Währungsreform 1948 ging es aufwärts, sechs Gesellen waren in der
florierenden Maßschneiderei beschäftigt, Anfang der 50er Jahre gründete
Georg Magin sein Herrenausstattungsgeschäft. Das zunehmende Aufkommen der
Konfektionskleidung ließ das Schneiderhandwerk mehr und mehr zurückgehen,
auch Georg Magin verkleinerte seinen Betrieb, war jedoch noch bis ins hohe
Alter tätig.
Bernd Agne, zeitgenössischer Schneidermeister mit Atelier in Mannheim, gab
einen Überblick über seine berufliche Laufbahn und die Art und Weise, wie
es ihn nach Schifferstadt verschlug, wo er 1964 seine Ehefrau Monika
heiratete. „Ich habe meine Berufswahl nie bereut“, gestand der
Wahl-Schifferstadter, dem bei Wettbewerben mittlerweile 29 Goldmedaillen
verliehen wurden. Auch seien Ausbildungsplätze im Schneiderhandwerk zur
Zeit sehr gefragt, cirka 20 Bewerbungen pro Jahr zu verzeichnen, so Bernd
Agne.
Mit einigen Anekdoten von Hans Magin und dessen Schwester Bärbel Weber,
Anneliese Schwertner (Enkelin des Schifferstadter Schneiders Jakob Denhard)
und Angelika Kuhn (Tochter von Fritz Kuhn) erhielt die Ausstellung auch
einen humorigen Beigeschmack.
Info: Am Sonntag, 5. August ist das Heimatmuseum erneut geöffnet. Ab 11
Uhr findet eine Schmiedevorführung statt. Schmiedemeister Erich Armbrüster
spaltet und dreht einen Vierkantstab zu einem Zirbel.
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