Politische und gesellschaftliche Wahrnehmungen aus der Zeit als unsere Pfalz bayrisch wurde |
Vielfalt an Nachrichten aus den Intelligenzblättern, Jahrgang 1822 |
Bei einer dritten Veranstaltung innerhalb von drei Wochen konnte das Vorstandsmitglied Hans Gerstner stellvertretend für den 1. Vorsitzenden Werner Krämer rund 30 Zuhörer zu einem Thema begrüßen, das sich mit dem Intelligenzblatt im Bayrischen Rheinkreis, wie unsere Pfalz nach den napoleonischen Kriegen ab 1817 hieß, beschäftigte. Die beiden Referenten des Abends, Hans Ebner und Hans Gerstner, bearbeiteten das Thema in einer Zweiteilung, wobei H. Ebner neben einer politischen Einführung insbesondere noch die schwierigen digitalen Bearbeitung der Textbilder übernommen hatte, während H. Gerstner sich ausschließlich mit Auszügen aus dem Intelligenzblatt von 1822 beschäftigte. Ebner erläuterte zunächst den Begriff Intelligenzblatt, das ursprünglich ein nur wöchentlich erscheinendes Frag- und Anzeigen - Nachrichtenblatt darstellte, und ausschließlich im Dienste der absoluten Fürsten und ihrer Verwaltungen stand. So mussten alle Anzeigen zunächst im Intelligenzblatt erscheinen (Insertionszwang), womit die Fürsten des 18. Jahrhunderts eine staatliche Einnahmequelle und gleichzeitig eine Überwachung des Handels und der Wirtschaft sahen. Später wurden die Intelligenzblätter durch Aufnahme belehrender und unterhaltender Artikel anziehender gestaltet. Die ersten Intelligenzblätter des bayrischen Rheinkreises entstanden im Jahre 1817. Zuvor (Juli 1816) gab es aber schon ein „Amtsblatt für das königlich baierische Gebiet auf dem linken Rheinufer“, das den Wandel des zunächst vom Grundgedanken der Restauration bestimmten Staatsaufbaus Baierns hin zu liberaleren Grundsätzen in der Verfassung verdeutlichte (Schutz des in der franz. Zeit gesetzmäßig erworbenen privaten Eigentums und keine Wiedereinführung der Feudalrechte sowie des Zehnten). H. Ebner zeigte dann mit Hilfe verschiedener Karten wie sich aus dem während der Franz. Revolution geschaffenen Departement Mont Tonnere nach den Napoleonischen Kriegen und in mehreren Verhandlungen die „Baierischen Gebiete auf dem linken Rheinufer“ hin zum „Bayrischen Rheinkreis“ entwickelte, der wiederum in Kantone und Landkommissariate aufgeteilt war. Schifferstadt gehörte zum Kanton Speyer und zum Landkommissariat gleichen Namens. Der zweite Redner, Hans Gerstner, beschäftigte sich mit den Beiträgen in der Intelligenzblatt – Sammlung von 1822. An den Anfang stellte er eine Schriftprobe der Jahre 1824/25 aus dem Rechnungsbüchlein eines Schifferstadter Bauern und Handwerkers , um nun dessen Stilistik mit den Textformen des Intelligenzblattes zu vergleichen. Während die Presseartikel des Intelligenzblattes in einem für uns heutige Menschen recht gut verständlichen Deutsch geschrieben waren, sind die Einträge des einfachen Bürgers (1824) größtenteils in Mundart geschrieben. Aus der Vielzahl der Artikel des Intelligenzblattes zitierte der Redner eine größere Zahl von Anordnungen, Ausschreibungen, Bekanntmachungen und Hinweise, die er, wo es angebracht erschien, mit heutigen Situationen in Verbindung brachte und gegenüberstellte. So waren die vielen Steckbriefe über damalige Gesetzesbrecher im Allgemeinen viel ausführlicher veröffentlicht als das heute der Fall ist. Wer hätte gedacht, dass es auch schon 1822 Warnungen vor dem Ankauf von sogen. Frauenzimmerhüten gegeben hat, die durch das Tragen der Hüte zu Bleivergiftungen führen konnte! Ein Großteil der Artikel nahmen gerichtliche Maßnahmen wie Versteigerungen und Zwangsversteigerungen von Immobilien oder Gütertrennungsklagen ein; darüber hinaus wurden alle Versteigerungstermine von Holz, Steinen, Stroh und Gras im Intelligenzblatt angekündigt. Wen interessiert nicht, über welches Einkommen ein evangelischer oder kath. Pfarrer verfügt? Heute wissen das im Großen und Ganzen nur die Eingeweihten. Damals wurden die Jahresgehälter bei Neubesetzung einer Pfarrei im Intelligenzblatt veröffentlicht, wie auch staatliche Stellen, nicht die prot. Landeskirche oder der Bischof, die Neubesetzung einer Pfarrei vornahmen. Wohl gemerkt, das war 1822 die Aufgabe staatlicher Stellen. Und wer sich um die Allgemeinheit bzw. die Dorfgemeinschaft verdient gemacht hat (z. B. Brandbekämpfung), der wurde im Intelligenzblatt „unter Bezeugung des besonderen Wohlgefallens“ zur allgemeinen Kenntnis gebracht. Auch die „Ausländerproblematik“ war im Jahr 1822 schon ein Thema, das damals die Ortspolizei-Behörden beschäftigte. Wer würde heute nicht Sturm laufen, wenn er in der Presse auf einmal seine in einer Prüfung erworbene Qualifikation mit Namensbezeichnung finden würde? So aber geschehen in der 1822 veröffentlichten Liste über geprüfte Schul-Kandidaten und Schulpräparanden: „Jacob Schmidt, prot. geboren zu Imsbach , den 1ten August 1804, im Gesang hinlänglich, im Orgelspiel vorzüglich befähigt. Jacob Kempter, kath. geboren zu Weidenthal, den 6ten October 1803, im Gesang hinlänglich, im Orgelspiel notdürftig befähigt“. Diese Liste mit allen Namen wurde im Intelligenzblatt veröffentlicht, so dass ein Jeder im Bayr. Rheinkreis über die Qualifikation eines solchen Schulkandidaten informiert war. Heute wie damals war die Jagd nach Schwarzwild ein besonderes Gebot der Stunde, diese schädliche Wildart einzudämmen. Mehrere Artikel über die „Vertilgung der Feldmäuse betreffend“ mit entsprechenden“ Anleitungen zur Vertilgung der Thiere“ geben einen Hinweis über die Wichtigkeit dieser damaligen Plage, die die Existenz der bäuerlichen Bevölkerung stark in Mitleidenschaft ziehen und evtl. eine Hungersnot herauf beschwören konnte. Als eines der letzten Beispiele führte Gerstner eine wahre Geschichte über eine Gaunerei an, die in der Umgebung von Schifferstadt über viele Jahre blühte. So hatte ein Dorf, das sich hauptsächlich dem Anbau von Flachs widmete, erkannt, dass sich mit dem Samen mehr Geld verdienen ließ als mit der Weiterverarbeitung der Pflanze zu Leinfäden. Mancher Samen, der unter dem Namen „Rigaer Lein“ verkauft wurde, „kam in diesem Dorf zur Welt. Er wird nicht selten hier aufgekauft, macht eine kleine Reise, und kehrt nach einem Jahre in einem russischen Anzug wieder dahin zurück. Die Geschichte der Frau, die einst ihren Ring verlor, und ihn nach ein paar Jahren in dem Leinsamen wiederfand, der, vorgeblich, von Riga gekommen war, trägt sich in dieser Gegend“. In seinem Schlusswort merkte Gerstner an, dass die Intelligenzblätter mit einer Fülle verschiedenster Nachrichten uns einen vertiefenden Einblick in das gesellschaftliche wie auch das polit. Leben vor fast 200 Jahren gewähren. Viele Bekanntmachungen sind erstaunlich offen und könnten heute nach den Grundsätzen des Schutzes der Persönlichkeitsrechte nicht mehr bestehen. Auf der anderen Seite sind viele Vorgänge bzw. Artikel in den Intelligenzblättern gar nicht so unmodern wie sie aufgrund des Erscheinungsjahres (1822) erscheinen mögen. |
Autor: Hans Gerstner, Ostring 71, 67105 Schifferstadt |