Beeindruckende Schilderungen über das Leben in den ersten
schweren Jahren nach dem zweiten Weltkrieg erlebten die über 30 Besucher
in einem Museumsgespräch, zu dem der Verein für Heimatpflege am
Donnerstagabend in die Adlerstube eingeladen hatte. Vorsitzender Theo
Magin erinnerte in seiner Begrüßung daran, dass die Veranstaltung auch im
Hinblick auf das 60-jährige Bestehen der Landes Rheinland-Pfalz
stattfinde, denn die Gründung des Landtages und die Abstimmung des
Landesverfassung sei am 18. Mai 1947 gewesen. |
Doch vor dieser Zeit hätten
die dramatischen Ereignisse der zurückliegenden Kriegsjahre und die
Besetzung am 23. März 1945 durch eine fremde Siegermacht die Menschen in
Schifferstadt tief betroffen gemacht. Millionen Tote, ein weithin
ruiniertes Land, zerbrochene staatliche und kommunale Strukturen, der
Verlust der politischen Selbstbestimmung, Hunger und Elend seien die
grauenvolle Bilanz von 13 Jahren nationalsozialistischer Herrschaft mit
mehr als fünf Jahren mörderischem Krieg gewesen. So seien beispielsweise
in Ludwigshafen und Mannheim 70 bis 75 Prozent aller Wohnungen zerstört
gewesen. Wenn auch in Schifferstadt die sichtbaren Kriegszerstörungen
relativ gering waren, so hatte doch dieser Krieg fast in jeder Familie
tiefe leidvolle Spuren hinterlassen. "Von 2400 Soldaten aus Schifferstadt
waren 409 gefallen, 232 vermisst, eine große Zahl zum Teil schwer
verwundet, 12 Menschen Opfer des Luftkrieges geworden und viele ehemalige
Soldaten befanden sich im Frühjahr 1945 noch in Gefangenschaft, darunter
in Böhl-Iggelheim und Rheingönheim", nannte Theo Magin als erschreckende
Bilanz.
Die Besatzungsmacht, zunächst die Amerikaner, hatten die Herrschaft über
die Gemeinde übernommen und übten die Staatsgewalt aus. Diese machten von
Anfang an deutlich, dass eine Gemeinde von 11000 Einwohnern ohne die
Mitwirkung der Bürgerschaft nicht zu verwalten sei. In der Sitzung des
neuen Gemeinderates wurden deshalb Philipp Schloser II. zum 1.
Bürgermeister und Johannes Hirsch zum 2. Bürgermeister bestellt, die mit
weiteren "Gemeinderäten" die Aufgabe hatten, im Einvernehmen mit den
Besatzungsbehörden, deren Anordnungen durchzusetzen und für einen
möglichst reibungslosen Verlauf des zivilen Lebens in der Gemeinde zu
sorgen.
Anfang Juli bestellte die französische Militärbehörde den Zahnarzt Dr.
Arnulf Kaufmann zum Bürgermeister, was angesichts der weiter
anschwellenden Probleme bei der Versorgung der Bevölkerung ein schweres
Amt gewesen sei. Das politische Leben begann sich in der französischen
Besatzungsmacht erst Ende 1945 zu regen mit der Zulassung von Parteien, am
15. 9.1946 fanden erste Gemeindewahlen, am 13.10. erste Wahlen zu den
Kreisversammlungen statt und am 18.5.1947 stimmten die wahlberechtigten
Bürger von Rheinland-Pfalz in einer Volksabstimmung über den Entwurf einer
ersten Landesverfassung ab.
Zweiter Vorsitzender Hans Gerstner ergänzte den Vortrag mit Aussagen
einiger Zeitzeugen, denen er zugleich dankte, dass er damit Situationen
aus dem damaligen Leben verdeutlichen konnte. So habe zum Beispiel der
Verdienst einer Postangestellte 140 Reichsmark betragen - zum Vergleich
stellte er den Preis von einem Pfund Butter gegenüber, das 250 Reichsmark
gekostet hat. "In der Erntezeit war Diebstahl von Feldfrüchten an der
Tagesordnung, wobei Auseinandersetzungen mit Eigentümern nicht
ausblieben", erzählte Hans Gerstner.
Wer damals krank wurde, kurierte die kleineren "Wehwehchen" mit bekannten
Hausmitteln selbst aus. Operationen an Zivilisten vorzunehmen sei damals
schwer gewesen, weil die Krankenhäuser als Lazarette für Soldaten dienten,
ebenso das ehemalige Mädchenschulhaus in der Rehbachstraße und die
Gymnastikhalle. Auch die schulischen Gegebenheiten waren schlecht.
Diese und weitere Ausführungen weckten bei den Besuchern sehr viele
Erinnerungen. So verlas Wally Becker einen Brief ihres Großvaters Michael
Funk (Mutterstadter Straße), den er am 3. 3. 1947 an Verwandte nach
Amerika schrieb und dabei seine Nachkriegssituation schilderte. Maria
Rebitzer (86) war es ein Anliegen, zwei humorvolle und hintergründige
Gedichte über ihre Jugendzeit und die "Schifferstadter Frauen"
vorzutragen. –ise |