„Heimatmuseum ist ein Stück Heimat!“

 

Drei Fragen an den neuen Vorsitzenden des Vereins für Heimatpflege Werner Krämer

 

Herr Krämer, Sie haben nach Ihrer Wahl zum Vorsitzenden gesagt, dass Ihnen die Heimatgeschichte sehr am Herzen liegt. Könnten Sie die Gründe dafür nennen?

 

Mein Leben hat im „alten Dorfdreieck“ begonnen. Dort habe ich meine Kindheit verbracht, sprechen gelernt, Freundschaften erleben dürfen, Schifferstadter Geschichten gehört und meine ersten Lebenserfahrungen gesammelt. Menschen, Häuser, Straßen, die Kirchenglocken von St. Jakobus, Gerüche, die Melodie der „Reitschule“ bei der Kerwe und beim Rettichfest auf dem nahen Marktplatz und viele andere Erinnerungen geben mir ein Gefühl der Vertrautheit, die mir niemand nehmen kann. Schifferstadt ist meine Heimat!
Später kam der Wunsch auf, zu wissen, was in meiner Heimatstadt in der Vergangenheit geschehen ist. Das nahe Heimatmuseum im Obergeschoß des Alten Rathauses und zwei gütige Heimatgeschichtler, Max Hüttner und Jean Nauerz, halfen mir, den ersten Zugang zur Geschichte meiner Heimat zu finden und den Begriff Heimat über deren Geschichte zu verstehen. „Nur der hat Halt in der Geschichte, der seine Wurzeln kennt“. Dieser Spruch begleitet mich seit früher Jugend. Ein väterlicher Freund hat ihn mir in meine erste Schifferstadter Geschichte von Georg Sturm geschrieben. Ein weiterer Satz, der mich immer wieder beeindruckt und ein Stück geleitet hat, ist: „Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden“ (aus der Feder von Sören Kirkegaard).

 

Viele - insbesondere junge Menschen - glauben, ein Museum sei langweilig. Ich bin sicher, dass Sie eine gegenteilige Meinung vertreten. Wie lautet Ihr "Plädoyer" für das Schifferstadter Heimatmuseum?

 

Heimatmuseum ist für mich gleichbedeutend mit Geschichte zum Anfassen, Dokumentation und Veranschaulichung von Geschichte. Im Heimatmuseum wird durch Aktionen Geschichte mit mehreren Sinnen erlebbar und erfahrbar gemacht, beispielsweise beim Beschlagen eines Pferdes durch den Schmied. Man hört das Knistern der Holzkohle in der Esse, sieht das Zurichten des Hufeisens auf dem Amboss, riecht verbrennendes Horn beim Anpassen des Hufeisens, hört die dumpfen Schläge beim Einschlagen der Hufnägel, das Wiehern des Pferdes, und vieles mehr.
Das Heimatmuseum ist Wissensvermittlung vom Alltag der Vorfahren, weckt bei Kindern Interesse für Museen generell, da es nicht von Masse und Theorie überfrachtet ist und erleichtert die Identifikation mit Geschichte. Anhand der Heimatgeschichte ist diese leichter verständlich als anhand der Geschichte ferner Kulturen. Ein Heimatmuseum ist heimelig, klein, eng, „viel steht rum“ – Geschichte ist unmittelbar erfahrbar, nicht durch Glasscheiben vom Betrachter getrennt.
Heimatmuseum ist ein Stück Heimat!

 

Sie haben nach Ihrer Wahl auch den Vorsatz geäußert, in Zukunft dazu beitragen zu wollen, dass auch Menschen mit Migrationshintergrund sich mit dem Begriff "Heimat" im Bezug auf Schifferstadt identifizieren können. Haben Sie in diesem Zusammenhang bereits konkrete Ideen?

 

Nein, es sind Visionen. Die Entwicklung von Konkretem bleibt zukünftigen Gesprächen im Verein und mit engagierten Mitbürgern unserer Stadt vorbehalten.
Wovon ich geredet habe, sind Menschen, aus anderen Kulturkreisen, auch von anderen Kontinenten. Da es die größte Anzahl ist, möchte ich an dieser Stelle exemplarisch unsere türkischen Mitbürger sehen. Sie haben „vermeintlich temporär“ ihre Heimat verlassen. Sie haben heute hier ihr „Zuhause mit Rückkehroption“ und teilweise dem Wunsch zur Rückkehr, welcher aber in den meisten Fällen nicht wahrgenommen wird.
In Schifferstadt lebt die zweite (teilweise in der Türkei und teilweise in Deutschland geborene) und die dritte (in Deutschland geborene) Generation, das heißt die Kinder und Enkel der ehemaligen Gastarbeiter der ersten Generation. Sie leben zusammen mit Eltern und Großeltern, die immer noch die Türkei als ihre Heimat empfinden. Viele dieser Menschen sind weder hier noch dort verwurzelt, fühlen sich aber aus Respekt und Achtung vor Eltern und Großeltern verpflichtet, die Türkei als ihre Heimat anzusehen. Deshalb ist eine große Zahl nicht in der Lage, sich hier ganz zu integrieren, dieses Land als Heimat zu erkennen und anzunehmen. Eine entscheidende Rolle spielt hierbei die in der Familie gesprochene Sprache.
Voraussetzung für alle Integrationsbemühungen ist jedoch, dass die originäre Bevölkerung weiß und akzeptiert, dass wir, bei der gegebenen demographischen Entwicklung, nur als Zuwanderungsland eine Überlebenschance haben und dass die Menschen, die zu uns gekommen sind und noch kommen werden, hier bleiben, ein Teil unserer jüngsten Geschichte sind und ein Teil unserer Zukunft sein werden.
Meine unvollständigen Gedanken zur Förderung der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund in unserer Stadt beziehen sich auf die Unterstützung von Kindergärten und Schulen beispielsweise durch Begleitung des „Heimatkundeunterrichts“ mit Exkursionen, Stadtführungen und Museumsbesuchen, einer Aktion unter dem Motto „Junges Museum“ mit verschiedensten Aktivitäten, das Kennenlernen von Wald, Feld, Pflanzen und Tieren als Bestandteile unserer gemeinsamen Heimat. Vortrags- und Gesprächsreihen unter dem Motto „Schifferstadter Geschichte – für nichtdeutsche Neubürger“ sowie die Aufnahme eines Bereiches „Vom Gastarbeiter zum Mitbürger“ in unser Heimatmuseum könnten wichtige Schritte in Richtung „Schifferstadt, meine Heimat“ sein.

Das Gespräch mit Werner Krämer führte Monika Schleicher,
Schifferstadter Tagblatt