Judentum in Schifferstadt und in der Pfalz

 

Vortrag von Dr. Werner Transier beim Verein für Heimatpflege

 

Die Geschichte des Pfälzischen Judentums – unter Berücksichtigung der jüdischen Gemeinschaft in Schifferstadt – hatte der Vortrag von Dr. Werner Transier, Sammlungsleiter für Judaika und Numismatik am Historischen Museum der Pfalz in Speyer, am Donnerstagabend in der Adlerstube zum Gegenstand. „Retrospektiv die große, nahezu 1000-jährige Geschichte von Judentum und Christentum in unserer Region aufzuzeigen, aber auch an die teuflischen Taten Wahnsinniger, die in menschen- und kulturverachtenden Weise durch Genozid glaubten, Geschichte auslöschen zu können, zu erinnern, definierte der Vorsitzende des Vereins für Heimatpflege Werner Krämer den Zweck der Vortragsveranstaltung. 

Dr. Werner Transier ging im Anschluss zunächst auf die Entwicklung der jüdisch-pfälzischen Geschichte ein, beginnend mit dem städtischen Judentum im Mittelalter und eröffnete den rund 50 Zuhörern, dass erste jüdische Gemeinden vom 10. Jahrhundert an meist in den Bischofsstädten, unter dem Schutz der bischöflichen bzw. erzbischöflichen Stadtherren entstanden waren. Die rheinischen Juden kamen überwiegend aus Frankreich, Italien und Spanien, wo sie der geistigen und sozialen Elite angehörten. Ein hohes Bildungsniveau zeichnete diese Menschen aus.

Sehr ausführlich ging Dr. Transier auf die Heilige Jüdische Gemeinde in Speyer ein, die nicht nur eine religiöse, sondern gleichzeitig auch eine verfasste Gemeinde mit eigenen Organen, einer unabhängigen Verwaltung mit Rechtssprechung war. 1096 wurde die jüdische Gemeinde Speyer als erste von fanatisierten Mitgliedern der Kreuzzugsbewegung überfallen, unterstützt von Teilen der städtischen Bevölkerung. Für den Ausbruch der Pest 1348 in den Mittelmeerstädten Frankreichs und Norditaliens wurden Juden verantwortlich gemacht. Man warf ihnen unbegründet vor, Brunnen vergiftet zu haben. Dies hatte zur Folge, dass noch vor Ausbruch der Seuche in den oberrheinischen Städten tausende von Juden ermordet und ihr Besitz zerstört wurde. Das „Pestpogrom“ von 1349 veranlasste viele Juden, nach Groß-Polen, Litauen, Ungarn oder Norditalien auszuwandern.

Im Weiteren informierte Dr. Transier auch über den Übergang vom städtischen auf das Landjudentum, der sich im Spätmittelalter vollzog. Der erste Jude, dessen Anwesenheit in Schifferstadt 1662 belegt wurde, war Jakob von Schiwerstat. Zwischen 1720 und 1725 wurde ein Emanuel Salomon vor Ort mehrfach aktenkundig. Der Beginn einer kontinuierlichen Siedlung von Juden in Schifferstadt setzte erst um 1800 ein. Zwischen 1797 und 1802 ließen sich drei Söhne der Familie Isaac, die in Fußgönheim ansässig war, auf Dauer in Schifferstadt nieder und nahmen den Familiennamen Landmann an. Die Synagoge in der heutigen Bahnhofstraße wurde feierlich am 9. September 1892 eingeweiht. 1907 erhielt die jüdische Gemeinde am heutigen Neustückweg ein 192 Quadratmeter großes Friedhofsgelände, auf dem bis 1935 14 Bestattungen stattfanden. Die Schifferstadter Juden waren überwiegend als Handels- und Kaufleute tätig. Die zunehmende Industrialisierung ermöglichte auch der jüdischen Bevölkerung, Arbeitsplätze in Großbetrieben zu finden, andere strebten akademische Berufe an. Viele jüdische Bürger engagierten sich für den Staat durch die Übernahme öffentlicher Ämter.

Im 1. Weltkrieg ließen über 12.000 jüdische Soldaten, darunter 200 Pfälzer wie der Schifferstadter Moritz Landmann, ihr Leben.

1933 begannen die Nationalsozialisten mit ihrer Politik der systematischen Ausgrenzung und Verfolgung der jüdischen Bevölkerung. Vielen jungen Menschen blieb – nach völligem Verlust ihres Vermögens – nur die Auswanderung. Von 1933 bis zum November-Pogrom 1938 verringerte sich die jüdische Bevölkerung in der Pfalz durch Auswanderung von 6.500 auf 3.300 Personen, in Schifferstadt von 35 auf 20 Personen. Ein Höhepunkt des nationalsozialistischen Terrors war zweifellos der reichsweite Novemberpogrom von 1938. In der Pfalz wurden sämtliche Synagogen – auch die Schifferstadter - geschändet und verwüstet, jüdische Haushalte wurden verwüstet und beraubt, jüdische Menschen wurden misshandelt, auch getötet. Am 22. und 23. Oktober 1940 ließen die NSDAP-Gauleiter von Baden und der Saarpfalz bis auf wenige Ausnahmen die gesamte jüdische Bevölkerung ihrer Gaue in das südfranzösische Lager Gurs deportieren. Darunter befanden sich drei Männer, vier Frauen und ein fünfjähriges Mädchen aus Schifferstadt. Infolge der schlechten Lebensbedingungen in Gurs und in anderen südfranzösischen Lagern starben bis 1943 203 Menschen. 308 Deportierte wurden ab 1942 von Gurs in die Vernichtungslager des Ostens – überwiegend nach Auschwitz – verschleppt und dort ermordet. Als „ein Zeichen der Freude und der Hoffnung, dass jüdisches Leben in der Pfalz auf Dauer Bestand hat“ wertete Dr. Transier die Grundsteinlegung zu einer neuen Synagoge und einem Gemeindezentrum der jüdischen Kultusgemeinde der Rheinpfalz am 9. November 2008 in Speyer.

 

Monika Schleicher, Schifferstadter Tagblatt