„Friedhöfe widerspiegeln Kultur und Geschichte eines Gemeinwesens“

 

Museumsgespräch zum Thema „50 Jahre Waldfriedhof“ in der Adlerstube

 

Die Eröffnung des Waldfriedhofes vor 50 Jahren nahm der Verein für Heimatpflege zum Anlass, in einem Museumsgespräch am Donnerstagabend die Geschichte der Schifferstadter Friedhöfe Revue passieren zu lassen. Vorsitzender Theo Magin verwies einleitend auf den engen Zusammenhang des Bestattungsrituals zu dem Kulturkreis, in dem die Menschen leben und zu ihrer religiösen Prägung, wobei mit zunehmendem Zivilisationsgrad auch hygienische Gesichtspunkte Bedeutung gewinnen. Da Schifferstadt von vorgeschichtlicher Zeit an besiedelt war, sind Friedhöfe beziehungsweise Bestattungsplätze über die ganze Gemarkung hinweg vorzufinden, sowohl aus der Bronze- und Urnenfelderzeit, der Hallstattzeit, der Latènezeit (Hügelgräber in verschiedenen Waldabteilungen wie Stürzig, Neubronner Heide, auf der Gelände der JSA, und Dannstadter Gräberfeld); aus der Zeit der Römer in der Waldseer- und Mutterstadter Straße sowie zwischen der westlichen Stadtgrenze und der Autobahn; vermutlich aus fränkischer Zeit stammen Grabfunde in der Beethofenstraße.
Im Mittelalter bestand um die St. Jakobuskirche der Kirchhof, der über Jahrhunderte als Bestattungsort diente. Im Jahr 1808 (zur Zeit der französischen Herrschaft) veranlasste ein Dekret des Kaisers Napoleon, nach dem ein Friedhof mindestens 100 Meter von jeglicher Bebauung entfernt sein musste, neues geeignete Gelände auszuwählen. Am 24. März 1822 wurde der heutige Stadtfriedhof an der Mannheimer Straße eingeweiht.
Angesichts der im 19. Jahrhundert stetig steigenden Bevölkerung musste der Friedhof mehrmals erweitert werden, jedoch stießen diese Maßnahmen Mitte der dreißiger Jahre an ihre Grenzen: Verhandlungen mit den Eigentümern angrenzender Grundstücke waren gescheitert. Auf der Suche nach einem Gelände, bei dem auf tiefen Wasserstand sowie auf ruhige, lärmfreie und weihevolle Lage zu achten war, wurden die Gemeinderäte zunächst im „Großen Land“ (heute Industriegebiet Süd) fündig. Jedoch konnte die Friedhofsfrage, nicht zuletzt wegen des 2. Weltkrieges, noch nicht gelöst werden. Ende der vierziger Jahre beschäftige das Thema erneut die Gemeindeväter, auch eine Zwangsenteignung gegen die dem alten Friedhof benachbarten Grundstückseigentümer wurde mehrheitlich beschlossen, jedoch nicht genehmigt. Am 6. August 1954 beschloss der Stadtrat endgültig und einstimmig die Anlegung eines zweiten Friedhofs in der Waldabteilung „Wohlfahrtsweg“. Die erforderlichen Mittel sollten in 120 Jahresraten aufgebracht werden.
Die neue Friedhofsordnung wies – gemessen an den traditionellen Gepflogenheiten – durchgreifende, für viele revolutionäre Änderungen auf. Schon immer wurden die Verstorbenen in Schifferstadt zu Hause aufgebahrt und in einem feierlichen Leichenzug zur Beerdigung gebracht. Nun bestand der Zwang zur Leichenhallenbenutzung, die Verstorbenen mussten innerhalb von 18 Stunden nach Feststellung des Todes dorthin überführt werden. „Die Diskussion über die Friedhofsfrage bekam nun eine neue Qualität und nahm rasch an Heftigkeit zu“, berichtete Theo Magin aus seinen Recherchen. 341 Einsprüche gegen den Entwurf der Satzung gingen bei der Stadtverwaltung ein. Dennoch konnte der Waldfriedhof am 16. November 1957 unter großer Anteilnahme der Bevölkerung von den katholischen Geistlichen Dekan Ludwig Gouthier, Pfarrer Gerhard Wagner und Pfarrer Dreyer von der evangelischen Gemeinde unter Mitwirkung der Kirchenchöre eingeweiht werden. Die neue Friedhofs und Gebührensatzung allerdings wurde erst am 26. August 1958 verabschiedet. „Viele Schifferstadter ließen in den ersten Jahren ihre toten Angehörigen vom Stadtfriedhof in ein neues Familiengrab auf dem Waldfriedhof umbetten“, informierte Theo Magin über die ersten Folgen der Anlegung des neuen Friedhofes.
Abschließend wurde auch die Geschichte des israelischen Friedhofes am Neustückweg beleuchtet, der 1907 entstanden, 1938 von den Nationalsozialisten verwüstet und nach dem 2. Weltkrieg wieder hergestellt wurde. Seit 1988 befindet sich der Friedhof im Besitz der „Jüdischen Kultusgemeinde der Rheinpfalz“. -cher