„Leben im Schifferstadter Fachwerk“
 – veranschaulicht von Gisela Atteln
 

Historische Gebäude durch sinnvolle Nutzung mit Leben erfüllen

 

Der interessante, kurzweilige Vortrag der Autorin Gisela Atteln unter dem Titel "Leben im Schifferstadter Fachwerk" war ein würdiger Abschluss zum 450. Jubiläum des Alten Rathauses und zugleich eine Bereicherung, mit dem der Verein der Heimatpflege auch seine diesjährige Veranstaltungsreihe eröffnete. „Ein Haus lebt länger als eine Generation“. Mit diesen Worten von Dr. Emil Sold (Beitrag zur Ortsgeschichte) begrüßte der 1. Vorsitzende der Heimatpflege, Werner Krämer, die zahlreichen Mitglieder und einige Fachwerkhaus-Besitzer. Gisela Atteln, seit 1976 Besitzerin eines restaurierten Fachwerkhauses, konnte deshalb dieses Thema aus ihrem persönlichen Blickwinkel erschließen. Zwei Schwerpunkte stellte sie in den Mittelpunkt: Historische Gebäude durch eine sinnvolle Nutzung mit Leben zu erfüllen und eine Bestandsaufnahme über die Situation am Ort.

 
 

Zunächst ging sie auf das "Alte Rathaus" ein, das zwar einzig das Kleinod sei, aber nicht allein dastehe, was ein Blick auf die Burgstraße in den 1930 Jahren zeige. Denn die Veranstaltung wurde mit Fotos unterlegt, welche die Vielfalt der Fachwerkhäuser, von schlicht und klar bis verspielt, aufzeigte, unter anderem in der Bahnhofstraße, Großen Kapellenstraße, Kirchenstraße, Langgasse, Ludwigstraße, Sandgasse und in der Speyerer Straße. Doch rückblickend gesehen, blühte der Fachwerkbau im 18. und 19. Jahrhundert auf. „Vor 1700 war so gut wie kein Fachwerk erhalten bis auf das Alte Rathaus“, so Gisela Atteln: Erst Mitte der 80er Jahre habe ein „Boom“ eingesetzt. Von der Stadtspitze her konnten dank Bundesmittel im neu geschaffenen altstädtischen Sanierungsgebiet historisch wertvolle Projekte gefördert werden. Auch der Denkmalaspekt wandelte sich: So sei es 1976 noch nicht möglich gewesen, ein Fachwerkhaus mit Dachgauben zu versehen und auch Farbanstrichen sah man kritisch gegenüber. „Das Fachwerkhaus bezieht seinen Reiz aus der kunstvollen Gliederung der Fläche“, erläuterte die Referentin.
Die Entstehung eines solchen Hauses zeigte sie mit Szenen aus dem Spielfilm „Der einzige Zeuge“ mit Harrison Ford, in dem die „Amish People“, pfälzische Vorfahren, die nach Pennsylvania auswanderten, ein „Fachwerk“ aufzogen, und auch das Zusammenfügen der Hölzer durch Verzapfung zeigten, was auch an hiesigen Häusern so gehandhabt worden sei. Interessant auch die Grundprinzipien einer Fachwerkkonstruktion, beginnend mit einem Sockel, dessen Höhe den Reichtum des Erbauers aufzeigte, gefolgt von der Schwelle, Eckständer, Fenster und Türen, Verstrebungen, den unteren Rähm, der die Geschoßhöhe nach oben abschließt, die Deckenbalken und das obere Stockwerk, das nach Phantasie und vorhandenen Geldmitteln gestaltet werden konnte. Die bekanntesten Fachwerkfiguren seien das „Andreaskreuz“ und der „Ganze Mann“, der oft für Eckpfosten gewählt und eine bevorzugte Figur zur Anbindung von Innenwänden war. Sehr gut zu erkennen sei ist dies auch am Alten Rathaus.
Das vorherrschende Dach in Schifferstadt sei das „Satteldach“, die Fenster die „Augen“ eines solchen Gebäudes, die sich in die Symmetrie einfügen, sich nicht vordrängen, aber einen optischen Reiz bieten sollten. - Im Gesamten gesehen könnte die Feststellung getroffen werden, dass sich die Häuser zwar ähnelten, doch jedes ein Unikat sei, denn die Individualität sei eingebettet in ein gemeinsames Gestaltungsprinzip.
In ihren Abschlussbetrachtungen hob sie hervor, dass es keine Zukunft gäbe ohne die Bewahrung der Vergangenheit und die bewusste, verantwortungsvolle Gestaltung der Gegenwart auf der Basis der Tradition. Aufmerksam machen wollte sie auch auf einen neuen Verlust: Schöne Backsteinhäuser, meist um 1900 erbaut, drohen aus Wärmedämmungsgründen unter Styropor zu verschwinden und dies alles für den staatlich verordneten "Niedrig-Energie-Wahn". Deshalb solle man mit offenen Augen durch Schifferstadt gehen, um ihre noch vorhandene Schönheit entdecken.

Schifferstadter Tagblatt; Schade