Interessanter Vortrag beim Verein für Heimatpflege
Kurz nach 11 Uhr betreten zwei Bürgermeister den Raum
für Frühgeschichte im Heimatmuseum: Ilona Volk, gegenwärtige
Bürgermeisterin der Stadt Schifferstadt, und Hans Gerstner, alias Bürger
Michaux, Maire (Bürgermeister) des Dorfes Schifferstadt. Rund 200 Jahre
liegen zwischen den beiden Amtspersonen. Michaux, in schwarzer Robe und
mit Zylinder, hält in der linken Hand Akten, in seiner Rechten den
Bürgermeisterstab, den so genannten Napoleonstab, der ihn als Maire des
Dorfes Schifferstadt ausweist. Dieser Bürgermeisterstab wurde heute
besonders ins Blickfeld der Museumsbesucher gerückt. |
Werner Krämer, 1. Vorsitzender des Vereins für
Heimatpflege, begrüßt beide Herrschaften auf Französisch, der
damaligen Amtssprache, und verwies kurz auf die Bedeutung des
Bürgermeister stabes in der damaligen Zeit, als Schifferstadt, ein
Dorf im Departement Mont Tonnere (Donners-berg), Teil der
Französischen Republik war.
Der Referent des Morgens, Hans Gerstner, gebrauchte die noch heute
gebräuchlichen Rede-wendungen, wie den „Stab übergeben“, den „Stab
abgeben“ und in gewisser Weise auch den „Stab brechen“, um in das
Thema „Bürgermeisterstab“ einzuleiten. Bürgermeisterstäbe habe es
schon seit dem ausgehenden Mittelalter in den Freien Reichsstädten und
in den Hansestädten gegeben. In den Dörfern gab es allenfalls einen
Schultheißen- stab, da der Schultheiß der wichtigste Mann in einem
Dorf war. Erst mit der Zugehörigkeit der linksrheinischen Gebiete zur
Französischen Nation gab es auch in den deutschen Dörfern einen
Bürgermeister (Maire). |
|
|
|
Für Schifferstadt ist schon 1574 erstmals ein
Schultheißenstab erwähnt. Der Schultheiß oder der Bürgermeister, der
während seiner Amtszeit immer den „Stab“ bei seinen Amts- oder
Dienstgeschäften mit sich führte, wurde im Volksmund deshalb auch der
„Stabhalter“ genannt. Der Stab, so der Referent, galt als eine „Insignie“,
als ein Abzeichen bzw. ein Symbol der Macht des Trägers. Mit der Übergabe
des Stabes geschah eine „Investitur“, sozusagen eine Einweisung in das
Amt, wie wir das auch in höherem Maße von Königen und Bischöfen kennen.
Verwandte Formen stellen die Bürgermeisterkette oder der Marschallstab
dar.
Leider geben die Ratsprotokolle nur sehr spärlich Auskunft darüber, wie
der „Stabhalter“ den Stab für seine Amtsgeschäfte einsetzte. Hier können
wenige Angaben aus Protokollen von Reichsstädten einen kleinen Hinweis
geben, der sich als Ritual bei den Schultheißen und später bei den
Bürgermeistern in der französischen Zeit gehalten haben dürfte: Urteile,
auch wenn es sich um Bagatellfälle handelte, dürften mit dem Berühren des
„Stabes“ ihre Legitimation erhalten haben. Der Maire von Schifferstadt
leitete nun in der Französischen Republik bzw. im Französischen
Kaiserreich stellvertretend für den höchsten Repräsentanten der Nation die
dörfliche Gemeinde.
Der Bürgermeisterstab von Schifferstadt hat heute eine Länge von 78 cm,
dürfte ursprünglich aber länger gewesen sein, da das untere Teil
abgebrochen ist. Er gliedert sich in den eigentlichen Stab und den Kopf,
in dem man eine Büste Napoleons erkennen will. Nur die Verschränkung der
Arme wollen nicht zum typischen Auftritt Napoleons passen. Der Redner
fragt sich, ob der Schnitzer aus dem Dorf überhaupt eine klare Vorstellung
vom Aussehen Napoleons in der frühen Zeit (um 1800) hatte. Doch der
unverwechselbare Napoleonshut, ein sogen.
Zweimaster, die Entstehungs- und Verwendungszeit gaben dem Stab die
Bezeichnung Napoleonstab. Der Stabhalter in der französischen Zeit trug
den Stab mit dem personalen Bezug auf den höchsten Repräsentanten der
damaligen Republik und des nachfolgenden Kaiserreiches: das war Napoleon.
Und der Maire bestätigte und bekräftigte die Anordnungen für seinen
dörflichen Bereich im Sinne der Gesetzgebung des französischen Kaisers
Napoleon I. Damit erhielt der Bürgermeisterstab aus der franz. Kaiserzeit
gegenüber dem Schultheißenstab eine höhere Gewichtung und eine noch höhere
Autorität.
Nach den Napoleonischen Wirren dürfte dann das Verständnis für solche
Rituale im Gebrauch des „Stabes“, so Hans Gerstner, verloren gegangen
sein. Von Stab-Übergabe ist nun nur noch im übertragenen Sinn die Rede.
Zum Schluss seiner Ausführungen zeigte der Redner den Besuchern weitere
Gegenstände, die mit dem Bürgermeisteramt in einer Beziehung stehen, so
einen Schultheißenstab aus Artzheim bei Landau und einen Schultheißenstab
der hiesigen Karnevalsgesellschaft, wie ihn die Bürgermeister der Stadt
Schifferstadt alljährlich in der Fastnachtskampagne überreicht bekommen.
Neugierige Blicke konnten die Besucher auch auf die Bürgermeister-
Amtskette von Schifferstadt werfen. Solche Amtsketten werden noch heute
von vielen Bürgermeistern in Großstädten, aber auch von
Universitätsrektoren als Symbol der Autorität des Trägers bzw. der
Trägerin getragen.
Am Ende dankte Vorsitzender Werner Krämer der Bürgermeisterin Ilona Volk
für die Herausgabe der Bürgermeisterkette und dem Referenten Hans Gerstner
für seine Bemühungen um den Bürgermeisterstab. |