Drei Tage im Wittelsbacher Land – bayrische Kultur und Zeugnisse der Volksfrömmigkeit kennen gelernt

Jahresausflug des Vereins für Heimatpflege

vom 14. bis 16. Juni 2014

 

Gut beraten waren die beiden Organisatoren des Vereins für Heimatpflege, Maria Häussler – Waldmann und Hans Ebner, als sie den ursprünglich nur auf zwei Tage begrenzten Ausflug nach Aichach und das umliegende Wittelsbacher Land auf drei Tage erweiterten. Denn bald schon war klar, dass der Schwerpunkt der Reise nicht allein der Partnerstadt Aichach gelten sollte, sondern auch deren Umgebung, dem Wittelsbacher Land. Und das hatte sich wirklich gelohnt, wie der 1. Vorsitzende, Werner Krämer, zu verschiedenen Anlässen immer wieder zu verstehen gab.

Die Anreise erfolgte mit dem Bus. In Aichach angekommen, wurde erst einmal das Mittagessen im  Hotel Specht eingenommen. Dann erwartete die Teilnehmerschar den Aichacher Bürgermeister Klaus Habermann, der die Angereisten aus Schifferstadt herzlich begrüßte. Er freue sich, so der Bürgermeister, neben den häufiger in Aichach weilenden Schifferstadter Vereinen nun auch den Verein für Heimatpflege zählen zu dürfen. Solche gegenseitige Besuche der Vereinsmitglieder würden die Partnerschaft aufrecht erhalten und vertiefen.

In seiner Entgegnung brachte Vorsitzender Werner Krämer zum Ausdruck, dass von Seiten seines Vereins der Wille besteht, vertiefte Kontakte zum Heimat- und Geschichtsverein Aichach aufzunehmen. Zusammen mit den beiden Organisatoren der Fahrt überreichte er symbolhaft für die landwirtschaftliche Nutzung der Schifferstadter Ackerfluren einen Geschenkkorb, aus dem Mairübchen und Radieschen um die Wette strahlten. Ein Päckchen Saumagen als Pfälzer Attribut durfte nicht fehlen, ebenso das neueste Produkt des Stadt- Marketings, ein originelles Schneidebrettchen.

Nach der unter freiem Himmel stattgefundenen offiziellen Kontaktnahme stellte sich Herr Dieter Heilgemeier als Stadtführer und der die Schifferstadter Gruppe begleitende Führer für die kommenden Tage vor. Die Führung durch die Altstadt begann er mit einem Rückblick auf die steten Bemühungen von Bürgermeistern und Stadtrat seit den 70iger Jahren um eine Beruhigung des innerstädtischen Verkehrs zwischen den beiden Stadttoren, die er als weitgehend gelungen betrachtet. Der Stadtrundgang begann mit der Besichtigung der Spitalkirche (Heilig-Geist-Kirche) von 1354, ursprünglich romanisch gebaut, zeigt sich der Kirchenraum heute barock. Vorbei am Fürsorgeheim für arme Mitbürger führte uns Heilgemeier zum so genannten „Jahrtausendweg“, einem Bürgerpfad, der mit individuell gestalteten Gehweg-Platten im alten Friedhof verlegt und mit einer Geldspende für Almosen an  bedürftige Stadtbürger vor wenigen Jahren in die Tat umgesetzt wurde. Nur wenige Meter weiter versammelten wir uns unter einer luftigen Holz-Ständer-Halle und erfuhren schließlich, dass wir auf einem ehemaligen Luftschutzbunker standen, der zur Tiefgarage  umfunktioniert wurde. Dann kam die Gruppe zum früheren Taglöhnerhaus, heute eine Begegnungsstätte für Aichacher Bürgerinnen und Bürger, die hier ihrem Hobby nachgehen können. Vorbei am oberen Torturm durchschritten wir die Essiggasse, stießen auf den kleinen „Strudel“ genannten Platz (erinnert an einen ehemaligen Bach-Strudel) über die Botengasse zur alten Stadtpfarrkirche im romanisch-gotischen Stil erbaut, aber mit barockem Hochaltar. Die dem Heiligen Ulrich geweihte Kirche mit schönem Kreuzgratgewölbe ist durchweg in Weiß gehalten; die Wände zieren Jugendstil-Figuren.

Auf dem Schlossplatz, auf dem bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts ein wirkliches Schloss gestanden hatte, im Spanischen Erbfolgekrieg aber abgefackelt und dann abgetragen wurde, endete die sehenswerte Stadtführung. Danach begaben sich alle zum Abendessen in ein Gartenrestaurant. Bürgermeister Klaus Habermann, Stadtführer Dieter Heilgemeier und ein Vertreter des Heimat- und Geschichtsvereins waren anwesend. Hierbei wurden Freundlichkeiten und kleine Gastgeschenke ausgetauscht.

Der zweite Tag, ein Sonntag, begann mit einem Besuch im Stadtmuseum von Aichach. Seit 1999 sind Städtisches Museum und Stadtarchiv in diesem ehemaligen Krankenhaus und danach Sonderschulgebäude untergebracht. Gespannt verfolgten die Schifferstadter die Ausführungen des engagierten Museumsführers und bewunderten die vielen Ausstellungsobjekte aus dem kirchlich – sakralen Bereich wie auch aus der historischen städtischen Vergangenheit der seit dem 12. Jahrhundert als Hauptort eines herzoglichen Amtes hervorgegangenen Stadt. Beeindruckend der reiche Schatz an Trachten, Ausstellungsgegenstände aus dem Bereich des Handwerks und der Zünfte (z. B. die Zunftstangen), bürgerliche Accessoires des 18. und 19. Jahrhunderts wie Möbel, Standuhren, Öfen, eine 15 Meter lange Papierbahnleiste mit Fouragierungsforderungen, Einquartierungen und Schadensbeschreibungen aus der Napoleonischen Kriegszeit und schließlich großformatige Fotos aus den Kriegszeiten des 20. Jahrhunderts und der Flüchtlings- und  Vertriebenenjahre. Jeder war von diesem Museum der Stadt Aichach sehr angetan, das nicht einfach mit unserem Heimatmuseum verglichen werden kann, da auf der einen Seite die städtische Entwicklung Aichachs vom Mittelalter bis heute grundgelegt ist, bei uns dagegen über Jahrhunderte nur eine dörfliche Entwicklung.

Danach fuhren wir in das wenige Kilometer entfernte Oberwittelsbach und besuchten die Überreste der einstigen Stammburg der Wittelsbacher. Im Zusammenhang mit dem Königsmord von Bamberg, bei dem der Stauferkönig Philipp von Schwaben durch den  Wittelsbacher Otto VIII. zu Tode kam, wurde die einst große Burg bis auf die Burgkapelle geschleift. Diese in roten Backsteinen erbaute Kapelle wurde dann in den folgenden Jahrzehnten sogar noch erweitert, das Türmchen bis zum 16. Jahrhundert zur heutigen Höhe hochgezogen, so dass er die heutige Kirche um etliche Meter stolz überragt. Bietet die heutige Kirche dem Besucher in der Waldlandschaft ein imposantes Bild, so zeigen Stützmaßnahmen am Turm und Kirchengebäude, dass für die nahe Zukunft mit hohen Restaurierungskosten gerechnet werden muss. Umfangreichere Ausgrabungen auf dem Gelände zeigten, dass es sich bei der Wittelsbacher Burg einst um eine sehr große Burganlage handelte. Im Inneren der Kirche, die der Hl. Maria geweiht ist, findet sich kein Hinweis mehr auf die einstige gotische Ausstattung.

Nach einem schmackhaften Mittagsmahl fuhr die Gruppe weiter nach Unterwittelsbach zum so genannten Sisi Schloss, weil die wittelsbachische Prinzessin Elisabeth v. Bayern viele Jahre bis zu ihrer Heirat mit dem österreichischen Kaiser Franz die Sommermonate hier verbrachte. Obwohl das Wasserschloss seit seiner Erbauung im 12. Jahrhundert immer in Verbindung mit den Wittelsbachern stand, kaufte im Jahre 1838 Herzog Max von Bayern, auch ein Wittelsbacher,  das schöne Gebäude und ließ es zum Sommersitz der Familie herrichten. Heute sind die Räume zum Gedenken an die beliebte Kaiserin Elisabeth (Sisi), zu einem Gedächtnis-Museum hergerichtet. Auf Schritt und Tritt begegnet dem Besucher Kaiserin Sisi, sei es in verschiedenen legendären Roben, in ihren Aufenthaltsorten und weltumspannenden Reisen oder auch nur im Anblick ihrer Toilettengegenstände. Ganz im Gegensatz zur kaiserlichen Hoheit und Gravität standen dann die Ausführungen der Museumsleiterin mit ihrer harten bayrischen Tonlage, die den zu Träumen veranlassten Besucher in die raue Wirklichkeit des Jahres 2014 zurückholte. Eine Zeitleiste im Treppenhaus mit den unzählig vielen Reisen der Kaiserin zwischen 1837 und 1898 machte manchen Betrachter nachdenklich: War es wirklich nur die allgemein als Fernweh bezeichnete Reiselust der Sisi oder standen dahinter nicht andere minder schwer wiegende Fakten wie Flucht vor dem kaiserlichen Hofzeremoniell und diplomatische Verpflichtungen in Wien oder sogar psychische Krankheitszeichen?  Der sich  anschließende Kaffee und Kuchen im Schloss-Cafe fegte die tiefgründigen Gedanken hinweg.

Weiter ging es dann schon bald nach Inchenhofen mit seiner Wallfahrtskirche St. Leonhard. Diese soll im ausgehenden Mittelalter den Stellenwert der viert wichtigsten Wallfahrtskirche der kath. Christenheit gehabt haben. Schon im 5. Jahrhundert gründete Leonhard eine Einsiedelei und wurde dann bald auch ein Klostergründer in Frankreich. Inchenhofen hat er nie betreten, aber im Jahre 1283 wurde von Mönchen des Zisterzienserordens eine Wallfahrt errichtet. St. Leonhard gilt als Patron der Bauern, Stallknechte, Wöchnerinnen, Böttcher, Schlosser u. a. Der Innenraum der Kirche, im Renaissance- und Rokoko-Stil errichtet, nimmt den Besucher so gefangen, dass von der Gruppe zum Abschluss noch ein Gebet gesprochen wurde. Vom ehemaligen Kloster sind nur noch zwei Gebäude erhalten, die von der Ortsgemeinde genutzt werden. Beim Heraustreten aus der Kirche bemerkt ein Teilnehmer unserer Gruppe, befangen von der künstlerischen Schönheit dieser Wallfahrtskirche und den anderen vorausgegangenen Besichtigungsorten: Was die Bayern doch große Kunstobjekte ihr Eigen nennen dürfen im Gegensatz zu uns. Meine Antwort darauf: Das dürfen wir vor allem Ludwig XIV. und seinen Marschällen mit ihrer Politik „der verbrannten Erde“ im Kurfürstentum Pfalz verdanken.

Zum Abschluss der Führungen fuhr die Gruppe am späten Nachmittag nach Kühbach. Schon 1011 erfolgte die Gründung eines Benediktinerinnen-Klosters durch das ansässige Grafengeschlecht der Lerchen. Durch die Jahrhunderte galt die Klosterkirche auch als Beruderschaftskirche mit dem Marienaltar als Bruderschaftsaltar. Der Innenraum der Wallfahrtskirche erreichte aber nicht den Glanz und die Strahlkraft der St. Leonhardkirche in Inchenhofen. Bis 1803 bestand das Kloster, dann wurde es in der Säkularisation an die geadelte Familie der Freiherrn von Beck Peccoz abgetreten, die noch heute die Gebäude bewohnt und unter anderem hier auch eine große Brauerei betreibt. Zum Ausklang des Tages wurde in einem Lokal in Kühbach das Abendessen eingenommen.

Am dritten und letzten Tag besuchte die Gruppe zunächst die bekannte Wallfahrtskirche Maria Birnbaum am Rande des Ortes Sielenbach. Der Bau der Kirche geht auf zwei Wunder einer in einem Birnbaum eingestellten Marienfigur zurück. Zwischen 1661 und 1668 wurde die Kirche als erste Kuppelkirche nördlich der Alpen errichtet; aus diesem Grunde erweckt sie beim Besucher   den Eindruck einer byzantinischen Kirche. Der Kirchenraum selbst ist kreisrund gehalten, der barocke Choraltar steht außerhalb der Kreislinie. Nur noch drei Patres aus dem Deutschherren Orden sind an der Wallfahrtskirche tätig.

Danach Weiterfahrt nach Altomünster, der Pfarr- und ehemaligen Klosterkirche St. Alto und St. Birgitta. Die heutige Kirche wurde im Jahre 1763 weitgehend neu konzipiert, nur der Eingangsbereich erinnert noch an die romanische Vorgängerkirche von 1244. Doch vor dieser romanischen Basilika konnten noch zwei Vorgängerkirchen an dem Ort nachgewiesen werden. Die Kirche setzt sich zusammen aus drei Abteilungen, dem quadratisch gehaltenen Hauptraum, dann einem sogen. Beichtraum, wiederum in quadratischer Form, jedoch mit etwas kleineren Seiten, und dem lang gestreckten Presbyterium. So ergibt sich eine Einteilung in drei Stockwerke: Das Erdgeschoss ist die Pfarrkirche, der erste Stock die Mönchskirche und der zweite Stock die Nonnenkirche. So wurde die 1763 gebaute Kirche als Pfarr- und Doppelkloster-Kirche entworfen. An der Kuppel der Kirche entdeckt der Betrachter Szenen aus dem Leben der Heiligen Birgitta und des Heiligen Alto. Der Kirchenraum ist in Weiß gehalten, jedoch von Altären und Heiligenfiguren mit viel Goldgepräge durchsetzt. Die Führerin in der Kirche ist eine Dame mit 90 Jahren!

Nach der Führung begibt sich die Gruppe in den Gasthof Meier zum Mittagessen. Zum Schluss dann Dankesworte an Herrn Heilgemeier, der die Gruppe seit ihrer Ankunft in Aichach begleitete und an vielen Besichtigungsorten kompetent führte. Ein herzliches Dankeschön noch einmal an die beiden Organisatoren der Fahrt, Maria Häussler-Waldmann und Hans Ebner.

Danach Aufbruch zur letzten Besichtigung an der Grenze Bayrisch Schwabens, der Stadt Nördlingen. Mit einem Blick fällt dem aufmerksamen Betrachter auf, dass die Bürgerhäuser zu einem Großteil im Fachwerk-Stil gebaut sind, ein gewaltiger Unterschied zum Stadtbild der bisherigen Ortschaften Bayrisch Schwabens.  Die mittelalterliche Stadtmauer ist noch erhalten und umgibt den älteren Stadtkern. Hoch überragt wird die Stadt vom trutzigen Turm der Jakobuskirche. Eine 90-minütige Stadtbegehung zeigt herausragende Baulichkeiten der Stadt Nördlingen. Nach Beendigung der Stadtführung steigen alle Schifferstadter in den Bus. Gegen 21.00 Uhr hat uns der Heimatort wieder. Eine sehr interessante und sehr gelungene Bildungsreise über drei Tage zur Partnerstadt Aichach und ins Wittelsbacher Land hatte einen sehr zufrieden stellenden  Verlauf genommen und kann mit Hilfe der vorliegenden Beschreibung bzw. des Berichts und den Fotos für lange Zeit in der Erinnerung der Teilnehmer bleiben.

Hans Gerstner, Mitglied im Vorstand des Vereins